Welpenentwicklung

Prämissen der Verhaltensentwicklung unseres Hundes

Die Verhaltensentwicklung der Welpen wird durch einige grundsätzlichen Prämissen

gekennzeichnet. Genannt seien:

  • das rasante Tempo
  • die Unwiederbringlichkeit
  • die Unumkehrbarkeit

Keine Zeit verlieren!

In den ersten 16 Lebenswochen vollziehen sich die Prozesse der Verhaltensentwicklung in einem schnellen Tempo. Vergleiche mit einem Menschenkind sind an sich unzulässig, aber geben doch einen für Menschen fassbaren Maßstab. In der sensiblen Phase läuft der Ent-wicklungsprozess beim Hund etwa 25 Mal schneller als beim Kind.

Das bedeutet: 25 Menschentage entsprechen einem Tag im Hundeleben. In 16 Lebenswochen Erreicht der Welpe etwa den Status eines 7jährigen Kindes. Bis zur Pubertät, zugrunde gelegt 12 Jahre beim Kind und 8 Monate beim Hund, können etwa 20 Menschentage mit denen eines Hundes verglichen werden.

Dieses Experiment mit Lebensabläufen dient nur dem Hinweis auf die Schnelligkeit der Abläufe beim Hund und daraus schlussfolgernd wie wenig Zeit wir haben, unseren Welpen angemessen in ein verhaltenssicheres Leben einzuführen. Wenn man dieses Entwicklungstempo positiv sieht, ist zu erkennt, dass wir in einer sehr kurzen Zeit viel erreichen können.

Der Entwicklungsgeschwindigkeit angepasst ist eine großartige Lernbereitschaft und ein grenzenloses Lernvermögen der jungen Hunde. Genauso schnell und ebenso nachhaltig werden Verhaltenweisen erlernt, die unter unerwünschtes Verhalten aus menschlicher Sicht einzuordnen sind. Gleichermaßen führt anhaltende Reizarmut zu Verhaltensdefiziten, die nicht mehr aufholbar sind.

 

Verpasse Verhaltensentwicklung beim Welpen

Die Phase besonderer Lernbereitschaft beim Hund, bei der alle Eindrücke gleich in das  Langzeitgedächtnis aufgenommen werden, ist einmalig im Leben eines Hundes und wiederholt sich nicht!! Die sensible Phase der Verhaltensentwicklung ist einem Zeitfenster vergleichbar, das sich schrittweise öffnet und zunehmend wieder schließt. Ist es geschlossen, sind die Bemühungen, noch etwas unterzubringen, vergeblich oder sehr mühsam und langwierig.

Verpasste Verhaltensentwicklung ist prinzipiell nicht nachholbar!

Unumkehrbarkeit der Erfahrungen in der sensiblen Phase

Es hat sich in zahlreichen Untersuchungen und auch praktischen Erfahrungen von Züchtern und Hundehaltern herausgestellt, dass Erfahrungen, die im Guten wie im Schlechten in der sensiblen Welpenzeit gemacht wurden, unverrückbar erhalten bleiben.

Traumatische Begegnungen mit Menschen führen zur lebenslangen Zurückhaltung gegenüber insbesondere fremden Menschen. Erfahrungen mit Umweltsituationen, wie z.B. Wasser, führen im positiven Falle zu einem lebenslänglich wasserfreudigen Hund, umgegehrt entsteht der Wassermuffel.

Unsere Hunde bilden so etwas wie ein Referenzsystem heraus. Die in der sensiblen Zeit gesammelten Eindrücke werden zu Normmustern, an denen alle künftigen vergleichbaren Ereignisse abgeglichen werden; das entsprechende Verhalten wird gezeigt.

Dies gilt sowohl für erwünschte als auch für unerwünschte Reaktionen. Wenn der Welpe z.B. lernt, dam Menschen auszuweichen, sobald er unerwünschten Neigungen nachgeht und sein Besitzer ihn verfolgt und doch nicht erreicht, hat er sich sehr schnell einen ausweichenden Hund erzogen. Ganz anders wird im Referenzzentrum vermerkt, wenn das Herankommen zu einem Menschen angenehm und auch unausweichlich ist. Dann nämlich funktioniert dies auch ein Leben lang zu beiderseitigem Nutzen.

Wachstum und Ausformung des Gehirns

Das Phänomen der rasanten Geschwindigkeit, der Unwiederbringlichkeit  und der Unumkehrbarkeit der Verhaltensentwicklung in den ersten Lebenswochen hat seine Materialisierte Grundlage im Wachstum und in der Ausbildung des Gehirns im gleichen Zeitraum. Welpen werden, was Erfahrungen betrifft, mit einem leeren Gehirn geboren. Sie kommen zwar im Prinzip mit der Gesamtzahl der Nervenzellen zur Welt. Diese machen etwa 5 bis 8 % ihres möglichen Gehirngewichtes erfolgt aber nicht durch Zunahme der Nervenzellen, sondern durch die Herausbildung von Vernetzungen zwischen diesen. Das geschieht in erster Linie im Großhirn, der Steuerzentrale künftigen Verhaltens. Die Vernetzungen bilden sich nur durch Umweltanforderungen heraus. Mehr als die Hälfte des Gehirngewichtes und Gehirnvolumens entsteht in den ersten vier Lebensmonaten der Welpen!

Jede im Gehirn entstandene Vernetzung ist einem bestimmten Verhalten zuzuordnen. Diese Vernetzung besteht lebenslänglich und lässt sich nicht mehr verändern. Somit haben wir die Grundlage für die Unumkehrbarkeit bestimmter entwickelter Verhaltensweisen.

Ebenso sind Vernetzungen, die in der sensiblen Phase durch den Mangel an Umweltreizen nicht stattfinden, auch nicht nachholbar. Hier liegt der Grund für die Unwiederbringlichkeit der Verhaltensentwicklung in der sensiblen Phase.

Folgendes kleines Beispiel soll die  “ Einmaligkeit “ des Vorganges demonstrieren:  Die in meiner Zuchtstätte geborenen und aufgezogenen Welpen werden vom ersten Tag des Zufütterns mit einem bestimmten Ruf zum Futter gerufen. Sie lernen das sehr schnell und sie vergessen es ein Hundeleben lang nicht.

Sozialisierungsphase

Unser Hund besitzt in seinem Genom eine Option zur sozialen Lebensweise. Diese Option stellt sich als die Fähigkeit das, Beziehungen mit Artgenossen, aber auch Angehörigen anderer Arten wie dem Menschen, einzugehen.

Das bedeutet auch den Besitz der Fähigkeit, in der Gruppe leben zu können und darüber hinaus das zwingende Bedürfnis, in der Gruppe, dem Rudel, der Meute, – Hund/Mensch – einen sozialen Platz zu finden. Dieses soziale Bedürfnis war für die wölfischen Ahnen unserer Hunde ein überlebenswichtiger Zwang. Allein hatten sie keinen Jagderfolg und waren existenziell gefährdet. Diese wölfischen Anlagen habe die Domestikation nicht nur gut überlebt, sie haben sich beim Hund als hervorragende Voraussetzung für die Partnerschaft mit dem Menschen vollendet etabliert.

Sozialverhalten ist zwar genetisch determiniert, aber auch einem Lernprozess unterworfen. Er muss in der Sozialisierungsphase des Hundes, etwa ab der 3. Lebenswoche bis etwa zur 16. Lebenswoche, vollzogen werden. Ein Hund, der in dieser Zeit die Regeln des sozialen Zusammenlebens nicht erlernt, bleibt ein Einzelgänger, der sich auch in eine Beziehung zum Menschen nur sehr schwer einordnet. Einem Hund zu unterstellen, dass er ein �soziales Wesen� sei und sich auch entsprechend zu verhalten habe, reicht also nicht aus. Er muss die Möglichkeit bekommen, die Regeln sozialer Gemeinschaften zu erlernen.

Signale verstehen lernen

Wir können davon ausgehen, dass der Welpe mit Gesten ausgestattet ist, anderen seine Absichten mitzuteilen. Er kennt Drohgebärden genauso wie Demutsgebärden. Sein Problem zur Sozialisierung besteht aber darin, die Gesten des Anderen zu deuten. Der kleine Hund sendet also Signale der Kommunikation aus. Er muss die Signale, die er empfängt, aber verstehen lernen und angemessen darauf reagieren. Er lernt die Signale anderer in sein Verhaltensrepertoire einzuordnen. Dieses Lernen der Grundregeln der Kommunikation vollzieht sich im Umgang mit Artgenossen und Menschen. Die normale und auch glcichermassen ideale Lernsituation ist ein Wurf mit mehreren Geschwistern, in dem der Welpe seine ersten Lebenswochen verbringt. Er nimmt seine Mutter, die Geschwister und die obligatorisch dazu gehörenden Menschen seiner Umgebung mit Beginn der Sozialisierungsphase bewusst wahr. Für den Welpen beginnt eine Lebensphase, deren Inhalt durch Erkunden, Neugier, Spielen und Nachahmen bestimmt wird. Erkundungsverhalten und Spielen ist für die Welpen unverzichtbare aktive Informationsgewinnung.

Welpenspiele sind Sozialspiele

Spielend werden anwendbare Erfahrungen in einem entspannten Milieu gewonnen.

  • Sie üben spielerisch Verhalten ein und rufen gleichzeitig Verhalten vom Partner ab
  • Sie lernen und entwickeln persönliche Strategien zur Durchsetzung eigener Ineressen und wenden Erlerntes an
  • Sie erkennen und werten das eigene Durchsetzungsvermögen

Gemeinschaft ist die Achtung der Individualinstanz des Anderen. Junge Hunde lernen damit die Interessensphäre der Geschwister zu respektieren. Wenn sie ein Wurfgeschwisterchen so beißen, dass es schmerzhaft ist, und der andere sich ernsthaft zur Wehr setzt, setzt er auch ein Signal: � Bis hierher und nicht weiter�. Rudelmitglieder �sorgsam behandeln� ist wölfisches Erbe, aber es muss dem lernenden kleinen Hund bewusst gemacht werden. Diese Individualdistanz  wird auch als �Beißhemmung� bezeichnet, weil der Hund lernt, seine Zähne behutsam gegen Rudelpartner  und auch angemessen gegen Gegner einzusetzen

(Quelle: Dr. Helga Eichelberg).